Städte im Rheinischen Bund
mittelalter-handwerk.deMit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Felicitas Schmieder Lehrgebiet Geschichte und Gegenwart Alteuropas (Vortrag vom 09.08.2006 auf der Kronberger Burg)
Die Wetterau und ihre Städte im Rheinischen Bund von 1254
Im Jahre 2004 wurde in zahlreichen Städten am Rhein das 750. Jubiläum des Rheinischen Bundes gefeiert.
In einer Zeit großer Unsicherheit, als nämlich schon lange keine Einigkeit mehr über den legitimen König herrschte, hatten sich Städte und Herren der Region zusammengetan, um dem wachsenden Unfrieden auf den Straßen in einem königslosen, wenn auch nicht prinzipiell gegen den König gerichteten Bund entgegenzutreten. Auch die königlichen Städte in der Wetterau, das heißt Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar, gehörten bald dazu. Ihre aufstrebenden Bürgerschaften lebten vom Handel und waren noch mehr als viele andere Menschen auf Frieden angewiesen. Im folgenden möchte ich Ihnen vorstellen, was für Städte diese vier waren, als der Rheinische Bund entstand, was seine Gründung und sein Bestehen für die vier Städte bedeutete und welchen Einfluß die enge Verbindung der vier auf die Entwicklung der auf 1254 folgenden Jahrzehnte und Jahrhunderte nahm.
Dazu sei zunächst ein kurzer Blick auf die geographische und politische Landkarte geworfen: Die Staufer hatten seit dem 12. Jahrhundert die Wetterau ausgebaut. An strategisch und verkehrstechnisch besonders wichtigen Stellen wuchsen die vier Städte: Wetzlar an der Lahn mit Verbindung lahnabwärts ins Rheintal und weiter nach Lothringen und lahnaufwärts nach Hessen, Gelnhausen das Kinzigtal und damit den Weg nach Thüringen beherrschend, Frankfurt an der wichtigsten Mainfurt und so im Kreuzzungspunkt der Wege von Nord nach Süd (Richtung Braunschweig und Lübeck bzw. die Bergstraße entlang und letztlich Richtung Alpenpässe) und Ost nach West (wiederum nach Thüringen bzw. ins Rheintal und nach Mainz), schließlich Friedberg am Wegekreuz im Zentrum. Die Voraussetzungen waren also hervorragend – doch zunächst einmal nur, solange der König stark war und die Landschaft und ihre Städte förderte. Mit einer solchen Förderung soll die Geschichte beginnen.
„Heinrich von Gottes Gnaden König der Römer … Unseren Getreuen, den Schultheißen und allen Bürgern von Frankfurt, von Wetzlar, von Friedberg und von Gelnhausen … wir gewähren Euch die Gnade und verleihen Euch die Freiheit, daß wir niemals einen von euch, sei er arm oder reich, zwingen … wollen, eine Tochter oder andere weibliche Verwandte mit jemanden aus oder von außerhalb unserer Hofgemeinschaft … zu verheiraten – und gerade jetzt befreien wir die Tochter unseres Getreuen Johann Goldstein von Frankfurt vom angetanen Zwang …“ Im Jahre 1232 befreit König Heinrich (VII.) mit dieser Urkunde ein für alle Mal die ehemaligen königlichen Grundholden der vier genannten Königsstädte von einem für Städter als besonders einengend empfundenen hofrechtlichen Zwang (wonach die unfreien Grundholden nur mit Zustimmung des Herrn heiraten durften – und da gemischtherrschaftliche Ehen die Frage nach den Rechten an den Kindern aufwarfen, bevorzugten Herren innerherrschaftliche Heiraten. Weil aber Kaufleute durch die Ehen ihrer Kinder gerne Handelsbeziehungen auch in weiter entfernt liegende Städte besiegelten, widersprachen sich hier die Interessen.). Sie ist zugleich das Dokument, in dem wir erstmals die Gruppe der Königsstädte der Wetterau wahrnehmen können, die wohl gemeinschaftlich die Initiative ergriff oder doch zumindest von König als Gemeinschaft behandelt wurde. Noch kurz zuvor war Wetzlar nicht dabei gewesen bei dem Bund, zu dem sich Frankfurt, Friedberg und Gelnhausen mit Mainz, Worms, Speyer und Bingen gegen den Mainzer Erzbischof zusammengeschlossen hatten und den der König 1226 verboten hatte. Wetzlar gehörte nicht zur Mainzer Diözese (das Lahntal war im Frühmittelalter von Trier und dem Moseltal aus erschlossen worden und zählte deshalb seither zur Erzdiözese Trier) und war überhaupt geographisch ein wenig abgelegen; es teilte auch späterhin nicht immer die Interessen der anderen, oft aus eben solchen regionalpolitischen Gründen. In erster Linie die gemeinsame Stellung zum König dürfte die Lahnstadt in die Gemeinschaft mit den anderen gezogen haben, die sie lange Zeit dennoch regelmäßig pflegte. Sehr viel mehr wissen wir aus dieser Zeit nicht über gemeinschaftliches städtisches Handeln in der Wetterau, und noch für 1254 sind die Quellen nicht derart, daß man sagen könnte, ob die vier Wetterau-Städte individuell oder in gemeinschaftlichem Beschluß dem Rheinischen Bund beigetreten wären.
Die vier Königsstädte sind nicht ohne weiteres zu identifizieren mit der Städtelandschaft der Wetterau, denn diese sollte bald (seit Ende des 13. Jahrhunderts) um zahlreiche herrschaftliche Städte wachsen und bei aller hierarchischen Differenzierung eng vernetzt sein – auch Kronberg ist eine der zahlreichen Städte, die im Zuge dieser Entwicklung gegründet werden sollten (ich komme kurz darauf zurück). Wenn ich mich im Folgenden vor allem auf die Königsstädte konzentriere, so vor allem aufgrund der Tatsache, daß nur diese vier größten Städte zu überregionalem Handeln in der Lage waren und damit leichter mit anderen Städtelandschaften vergleichbar sind. Allein innerhalb dieser Gruppe von nur vier Königsstädten differenzierten sich zudem bald zwei, die beiden obersten Ebenen der wetterauischen Städtelandschaft aus – und die Anfänge dieses Prozesses werden vielleicht auch schon im zitierten ersten Dokument sichtbar. Ist es doch ein Frankfurter Bürger – aus einer der frühest belegten und während des gesamten Mittelalters führenden Familien der Stadt –, dessen Einwand beim König zum Muster für eine Gnade für alle vier Städte wird. Es ist Frankfurt, das sich bereits hier an die Spitze der Vierergruppe setzt.
Im folgenden möchte ich diese charakteristischen und vielfach die Städte und ihre Gemeinschaft von anderen unterscheidenden Aspekte, die anscheinend bereits alle im ersten Dokument greifbar sind, weiterverfolgen: die genetischen Gemeinsamkeiten der Städte und ihre dauerhaft enge Bindung an den König, ihr enges gemeinschaftliches Handeln und ihre Unterschiedlichkeiten, die sie letztlich in eine Gefolgschaft Frankfurts verwandelten. Wegen der Schwierigkeiten mit der frühen Quellenlage, aber auch wegen der offensichtlichen longue durée mancher Strukturen möchte ich meine Fragestellung aber auch extensiv auslegen. Ich werde die Wetterauer Städte nicht nur in der Zeit um 1254, sondern ihre Entwicklung als kooperierende Größe unter den Städten im Reich während des späteren Mittelalters betrachten, und damit nicht zuletzt wohl manches verdeutlichen können, was man für die Mitte des 13. Jahrhunderts bereits erahnen, vielleicht nur vermuten kann, was aber teilweise wohl auch erst in statu nascendi angelegt war.
Denn alle vier Städte sind jung, vergleicht man sie mit den benachbarten rheinischen Städten, wie Mainz oder Worms und auch Speyer – mit denen wenigstens Frankfurt in den folgenden Jahrhunderten bei allen Gegensätzen immer wieder eng kooperieren wird. Während zum Beispiel die Wormser Bürger bekanntlich bereits in den 1070er Jahren gemeinschaftliche handlungsfähig waren und gegen hofrechtliche Beschränkungen aufbegehrten, ist die erste gemeinschaftliche Handlung zum Beispiel der Frankfurter Bürger gerade erst 1219 belegt und sind sie da noch keineswegs hofrechtlicher Bindungen ledig. Und so rasch auch die Königsstädte aufholten: Hauptsächliche Ansprechpartner des Königs sind beispielsweise (wie zitiert) 1232 und noch lange danach die Schultheißen als königliche Amtsträger. „Städtische“ Selbstverwaltungsorgane sind noch nicht einmal 1254 erkennbar – erst danach entstanden aus den alten noch grundherrlichen Schöffengremien Räte, möglicherweise nicht zuletzt gefördert durch den verstärkten Austausch mit weiterentwickelten Städten im Rheinischen Bund. Was sie da beobachten konnten, mag auch den Streit der Bürger mit den Schöffen um Beteiligung an der Leitung der Stadt hervorgerufen haben, den wir in Wetzlar als Anlaß für die Ergänzung der Schöffen durch consules (Ratsherren) im Jahre 1260 kennen, während die Räte in Gelnhausen 1259, in Friedberg und Frankfurt 1266 ohne erkennbaren Anlaß, aber generell gleichzeitig ersterwähnt sind.
Diese Situation gibt zu Zweifeln Anlaß, ob man, wenigstens bei den wetterauischen Städten im Rheinischen Bund von 1254, ohne weiteres von städtische Politik sprechen kann, wie wir sie bei den dann reinen Städtebünden vor allem des späteren 14. Jahrhunderts zweifellos beobachten können, aber gewiß nicht implizit zurückprojizieren dürfen, nur weil die Quellen so rar sind. So sehr die Städte um 1254 gewiß eine klar unterscheidbare bauliche wie auch wirtschaftliche Größe waren – die Schöffen und, soweit das zu sehen ist, auch die dann neuen Ratsherren der Königsstädte in der Wetterau entstammten alle der einzigen oder wenigstens dominanten familia (Gemeinschaft der Unfreien eines Herrn) am Ort, der des Königs. Sie waren mit dem reichsministerialischen entstehenden Niederadel der Umgebung nach wie vor standesgleich und oft wohl auch noch blutsverwandt und die jeweiligen Verhaltensweisen nicht nur gegenüber dem Reich sind in der Mitte des 13. Jahrhunderts generell noch kaum trennbar. So ist es den Städten ein Leichtes, 1254 in einem Bund mit Adelsherren in einer Weise vereint zu sein, die späterhin immer schwerer vorstellbar wird.
Städte wie Reichsministerialität waren vereinigt in der von den Staufern ausgebauten Reichsgutorganisation der terra imperii der Wetterau und dann in der in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gewiß noch alle anderen Bündnisse dominierenden königlichen wetter¬auischen Landvogtei. Alle vier Städte sind ja nicht nur königlichen Ursprungs, sondern sie sind alle vier Produkte staufischen Ausbaus oder doch maßgeblich von den Staufern in ihrer entscheidenden Wachstumsphase gefördert worden – eher unabsichtlich führte das zu einer königlichen Städtelandschaft par excellence. Weitestgehend staufisch ist die Kirchentopo¬graphie wenigstens in Frankfurt, eine diesbezügliche vergleichende Analyse der vier Städte steht aus. Doch sei zumindest festgehalten, daß sich alle vier um einerMarien-Pfarrkirche gruppierten – von zentraler Bedeutung, wenn man bedenkt, wie sehr die Wahl des Heiligen auf die Identität einer Gruppe schließen läßt. Wenigstens in Friedberg trat ebenso wie in Frankfurt die spätstaufische offenbar bürgerlich-ministerialische Kombination Marias und Georgs mit für die beiden Siedlungen charakteristischen Unterschieden auf: Während in Frankfurt, wo die königliche Burg mit Besatzung bald abgezogen wird bzw. weitgehend in der Bürgerschaft aufgeht, die erste sicher belegte bürgerliche Kirchenstiftung die beiden Heiligen vereint, stehen sie in Friedberg als getrennte Patrone der Stadt- und der Burgkirche für die dauerhafte und unvereinbare Gegensätzlichkeit der beiden Siedlungskerne.
Dem Kaiser Friedrich I. Barbarossa wird der systematische Zugriff und die systematische Sicherung einer der wichtigsten Königslandschaften zugeschrieben. Er scheint dafür gesorgt zu haben, daß Frankfurt – in der Zeit der salischen Dynastie eher an den Rand getreten (obwohl oder weil es im Raum der eigentlichen Hausmacht dieser Könige lag) –, das bereits Konrad III. wieder in die erste Reihe der Pfalzorte gehoben hatte, eingebunden wurde in ein Netz aus Burgen und Burgsiedlungen. Um das Jahr 1170, als der Kaiser den Ort Gelnhausen vom Mainzer Erzbischof zu Lehen gewann und eine neue Pfalz an der wichtigen Pforte aus der Wetterau hin nach Thüringen errichtete, scheint auch die Reichsburg Kalsmunt über Wetzlar und damit der Zugang zum Lahntal ausgebaut worden zu sein – neben einer ganzen Reihe weiterer, meist von Ministerialen errichteten Burgen an zentralen Punkten. Wegen dieses Zusammenhanges neigten viele Historiker stets dazu, auch die Entstehung der 1216 ersterwähnten, zentrale Burg Friedberg bereits zu dieser Zeit anzusetzen. Keine Symbolen typischen städtischen Selbstbewußtseins, wie Stadtmauern, tragen die Hoheitszeichen der vier Städte: Gelnhausens Siegel (ab 1248 belegt, doch sicher älter) erinnert bei jeder Benutzung dankbar an Barbarossas Gnaden, indem es ihn zusammen mit Königin Beatrix abbildet. Auch Wetzlar trägt den König (unter einer baldachinartigen Konstruktion, belegt ab 1226) im Siegel, ebenso wie Frankfurt, das jedoch in der Umschrift sich selbst schon früh vor allem auf das Reich bezieht, sich selbst erfolgreich als specialis domus imperii, als besondere Heimstatt des Reiches hervorzuheben bemüht ist (ab 1216 und erneuert ab 1253). Das Symbol des Reiches auch spiegelt Friedbergs städtisches Adler-Siegel (ab 1245).
Gemeinschaftliches Handeln der Städte kann nach all dem nicht überraschen, denn es versteht sich fast von selbst innerhalb der Wetterau. Doch kann auch dieses Handeln wohl noch nicht unbedingt und ohne weiteres als städtisch charakterisiert werden. Wie gesagt war 1226 Wetzlar nicht mit den anderen Wetterauer Städten im Bündnis gegen den Mainzer Erzbischof gewesen, vielleicht weil es durch seine Lage die Interessen der Bündner nicht teilte, vielleicht weil es generell noch nicht so weit war, überregionale Interessen zu teilen – ist doch erst 1228 die allererste von der Wetzlarer Bürgerschaft ausgehende Urkunde überhaupt überliefert. Sie allerdings betrifft dann sogleich ein zentrales Wetterauer Thema, das Verhältnis zum Kloster Arnsburg (einer Gründung der Herren von Münzenberg), und wohl deshalb ist sie unter anderen vom Friedberger Burggrafen und den Frankfurter Schultheißen als Zeugen mitgetragen – nicht eigentlich von den später eng verbundenen Städten, aber doch von einer ministerialen Gemeinschaft Wetterauer Königsleute.
Königstreu und -nah blieben die vier Städte, wenn es irgend ging, auch das gesamte Mittelalter hindurch, auch wenn die kleineren unter ihnen zeitenweise in die Gefahr der Entfremdung gerieten. So gut es ging, mühte man sich darum gemeinsam und spätestens im 15. Jahrhundert mehr und mehr vermittelt durch das bei weitem größte Frankfurt. Vielleicht ist das die Konsequenz aus der bitteren Erfahrung, als um die Mitte des 13. Jahrhunderts das System, das Sicherheit geboten hatte, in die Krise geriet. Als im Jahre 1252 König Wilhelm von Holland in die Wetterau gezogen kam, handelten die Städte und ihre Ministerialitäten offenbar uneinheitlich: Während Burg und Stadt Friedberg sich geöffnet zu haben scheinen, blieben die anderen ihrem staufischen König treu. Sobald der König fern ist und unsichere, krisenhafte Zeiten ins Haus stehen, endet die zunächst eben doch vor allem vom König determinierte Gemeinsamkeit offenbar leicht. Erst 1254 wurde, mit dem Tod Konrads IV., alles wieder leichter, und eine solche Situation, so scheint man bald erkannt zu haben, sollte sich nicht wiederholen. Die Mitgliedschaft im Rheinischen Bund mag das Bewußtsein gestärkt zu haben, daß Einigkeit stark machte, lassen sich doch 1257 in vier getrennten Urkunden die Bürger jeder der vier Städte unter anderen (weitgehend gleichlautenden) Dingen von König Richard versprechen, daß er die „Städte Frankfurt, Friedberg, Wetzlar und Gelnhausen“ niemals dem Reich entfremden wolle.
Weiterhin sind es vor allem die königlichen Gemeinschaftsurkunden für alle vier Städte, aus denen wir auf eine Fremdwahrnehmung als Gruppe schließen können. Besonders eng erscheint eine solche Gemeinschaft, wenn die vier Städte um 1318 von König Ludwig dem Bayern gemeinsamen zu einer Gesamtsumme der Reichssteuer veranlagt werden – handelt es sich bei der kollektiven Stadtsteuer doch um eine der wichtigsten Errungenschaften städtischer Freiheits- und Autonomiebestrebungen (alte grundherrliche Form ist die Zins- und damit Steuerpflichtigkeit jedes Einzelnen, so daß die selbständige Umlage der Gesamtsumme auf die Mitglieder der Gemeinschaft ein deutlicher Fortschritt hin zum kommunalen Handeln ist). Ob die Idee jedoch von den Städten oder nicht doch eher vom König ausgegangen war, bleibt offen. Das Experiment wurde spätestens 1333 wieder aufgegeben, vielleicht weil Ludwig dazu übergegangen war, die Steuern an Adelsherren der Region zu verteilen, ein gefährlicher Schritt in die Nähe der Verpfändung der ganzen Stadt. Wenigstens Frankfurt wird es sich leisten können, die Steuer lieber früher als termingerecht direkt an den König auszufolgern und wird im 15. Jahrhundert darauf bestehen, dem König gleichgültig, wo er sich gerade befindet, die Steuer persönlich in bar zu überbringen. In der gleichen Zeit zeichnet sich aber noch eine andere Entwicklung ab, die den Rest des Mittelalters bestimmen sollte: 1329 bestätigte Kaiser Ludwig im umfassender Weise omnia et singula privilegia iura sua libertates gracias et consuetudines suas tam antiquas quam novas (alle und jedes einzelne Privilegien und ihre Rechte, Freiheiten, Gnaden und ihre Gewohnheiten, seien sie alt oder neu) der Stadt Frankfurt und von deren Eidgenossen, coniurati, den Städten Gelnhausen, Wetzlar und Friedberg, auf Bitte den Bürger Frankfurts. Was 1259 noch in vier gegenseitigen Urkunden geschehen war, die gegenseitige Unterstützung und der Zusammenhalt beim Privilegienerwerb, wird nun zunehmend Sache Frankfurts als Sprecher der Gruppe der vier Städte. Beide Ausfertigungen der Urkunde, beide mit Goldbulle, werden bis heute in Frankfurt aufbewahrt.
Denn alle vier Städte sind jung, vergleicht man sie mit den benachbarten rheinischen Städten, wie Mainz oder Worms und auch Speyer – mit denen wenigstens Frankfurt in den folgenden Jahrhunderten bei allen Gegensätzen immer wieder eng kooperieren wird. Während zum Beispiel die Wormser Bürger bekanntlich bereits in den 1070er Jahren gemeinschaftliche handlungsfähig waren und gegen hofrechtliche Beschränkungen aufbegehrten, ist die erste gemeinschaftliche Handlung zum Beispiel der Frankfurter Bürger gerade erst 1219 belegt und sind sie da noch keineswegs hofrechtlicher Bindungen ledig. Und so rasch auch die Königsstädte aufholten: Hauptsächliche Ansprechpartner des Königs sind beispielsweise (wie zitiert) 1232 und noch lange danach die Schultheißen als königliche Amtsträger. „Städtische“ Selbstverwaltungsorgane sind noch nicht einmal 1254 erkennbar – erst danach entstanden aus den alten noch grundherrlichen Schöffengremien Räte, möglicherweise nicht zuletzt gefördert durch den verstärkten Austausch mit weiterentwickelten Städten im Rheinischen Bund. Was sie da beobachten konnten, mag auch den Streit der Bürger mit den Schöffen um Beteiligung an der Leitung der Stadt hervorgerufen haben, den wir in Wetzlar als Anlaß für die Ergänzung der Schöffen durch consules (Ratsherren) im Jahre 1260 kennen, während die Räte in Gelnhausen 1259, in Friedberg und Frankfurt 1266 ohne erkennbaren Anlaß, aber generell gleichzeitig ersterwähnt sind.
Diese Situation gibt zu Zweifeln Anlaß, ob man, wenigstens bei den wetterauischen Städten im Rheinischen Bund von 1254, ohne weiteres von städtische Politik sprechen kann, wie wir sie bei den dann reinen Städtebünden vor allem des späteren 14. Jahrhunderts zweifellos beobachten können, aber gewiß nicht implizit zurückprojizieren dürfen, nur weil die Quellen so rar sind. So sehr die Städte um 1254 gewiß eine klar unterscheidbare bauliche wie auch wirtschaftliche Größe waren – die Schöffen und, soweit das zu sehen ist, auch die dann neuen Ratsherren der Königsstädte in der Wetterau entstammten alle der einzigen oder wenigstens dominanten familia (Gemeinschaft der Unfreien eines Herrn) am Ort, der des Königs. Sie waren mit dem reichsministerialischen entstehenden Niederadel der Umgebung nach wie vor standesgleich und oft wohl auch noch blutsverwandt und die jeweiligen Verhaltensweisen nicht nur gegenüber dem Reich sind in der Mitte des 13. Jahrhunderts generell noch kaum trennbar. So ist es den Städten ein Leichtes, 1254 in einem Bund mit Adelsherren in einer Weise vereint zu sein, die späterhin immer schwerer vorstellbar wird.
Städte wie Reichsministerialität waren vereinigt in der von den Staufern ausgebauten Reichsgutorganisation der terra imperii der Wetterau und dann in der in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gewiß noch alle anderen Bündnisse dominierenden königlichen wetter¬auischen Landvogtei. Alle vier Städte sind ja nicht nur königlichen Ursprungs, sondern sie sind alle vier Produkte staufischen Ausbaus oder doch maßgeblich von den Staufern in ihrer entscheidenden Wachstumsphase gefördert worden – eher unabsichtlich führte das zu einer königlichen Städtelandschaft par excellence. Weitestgehend staufisch ist die Kirchentopo¬graphie wenigstens in Frankfurt, eine diesbezügliche vergleichende Analyse der vier Städte steht aus. Doch sei zumindest festgehalten, daß sich alle vier um einerMarien-Pfarrkirche gruppierten – von zentraler Bedeutung, wenn man bedenkt, wie sehr die Wahl des Heiligen auf die Identität einer Gruppe schließen läßt. Wenigstens in Friedberg trat ebenso wie in Frankfurt die spätstaufische offenbar bürgerlich-ministerialische Kombination Marias und Georgs mit für die beiden Siedlungen charakteristischen Unterschieden auf: Während in Frankfurt, wo die königliche Burg mit Besatzung bald abgezogen wird bzw. weitgehend in der Bürgerschaft aufgeht, die erste sicher belegte bürgerliche Kirchenstiftung die beiden Heiligen vereint, stehen sie in Friedberg als getrennte Patrone der Stadt- und der Burgkirche für die dauerhafte und unvereinbare Gegensätzlichkeit der beiden Siedlungskerne.
Dem Kaiser Friedrich I. Barbarossa wird der systematische Zugriff und die systematische Sicherung einer der wichtigsten Königslandschaften zugeschrieben. Er scheint dafür gesorgt zu haben, daß Frankfurt – in der Zeit der salischen Dynastie eher an den Rand getreten (obwohl oder weil es im Raum der eigentlichen Hausmacht dieser Könige lag) –, das bereits Konrad III. wieder in die erste Reihe der Pfalzorte gehoben hatte, eingebunden wurde in ein Netz aus Burgen und Burgsiedlungen. Um das Jahr 1170, als der Kaiser den Ort Gelnhausen vom Mainzer Erzbischof zu Lehen gewann und eine neue Pfalz an der wichtigen Pforte aus der Wetterau hin nach Thüringen errichtete, scheint auch die Reichsburg Kalsmunt über Wetzlar und damit der Zugang zum Lahntal ausgebaut worden zu sein – neben einer ganzen Reihe weiterer, meist von Ministerialen errichteten Burgen an zentralen Punkten. Wegen dieses Zusammenhanges neigten viele Historiker stets dazu, auch die Entstehung der 1216 ersterwähnten, zentrale Burg Friedberg bereits zu dieser Zeit anzusetzen. Keine Symbolen typischen städtischen Selbstbewußtseins, wie Stadtmauern, tragen die Hoheitszeichen der vier Städte: Gelnhausens Siegel (ab 1248 belegt, doch sicher älter) erinnert bei jeder Benutzung dankbar an Barbarossas Gnaden, indem es ihn zusammen mit Königin Beatrix abbildet. Auch Wetzlar trägt den König (unter einer baldachinartigen Konstruktion, belegt ab 1226) im Siegel, ebenso wie Frankfurt, das jedoch in der Umschrift sich selbst schon früh vor allem auf das Reich bezieht, sich selbst erfolgreich als specialis domus imperii, als besondere Heimstatt des Reiches hervorzuheben bemüht ist (ab 1216 und erneuert ab 1253). Das Symbol des Reiches auch spiegelt Friedbergs städtisches Adler-Siegel (ab 1245).
Gemeinschaftliches Handeln der Städte kann nach all dem nicht überraschen, denn es versteht sich fast von selbst innerhalb der Wetterau. Doch kann auch dieses Handeln wohl noch nicht unbedingt und ohne weiteres als städtisch charakterisiert werden. Wie gesagt war 1226 Wetzlar nicht mit den anderen Wetterauer Städten im Bündnis gegen den Mainzer Erzbischof gewesen, vielleicht weil es durch seine Lage die Interessen der Bündner nicht teilte, vielleicht weil es generell noch nicht so weit war, überregionale Interessen zu teilen – ist doch erst 1228 die allererste von der Wetzlarer Bürgerschaft ausgehende Urkunde überhaupt überliefert. Sie allerdings betrifft dann sogleich ein zentrales Wetterauer Thema, das Verhältnis zum Kloster Arnsburg (einer Gründung der Herren von Münzenberg), und wohl deshalb ist sie unter anderen vom Friedberger Burggrafen und den Frankfurter Schultheißen als Zeugen mitgetragen – nicht eigentlich von den später eng verbundenen Städten, aber doch von einer ministerialen Gemeinschaft Wetterauer Königsleute.
Königstreu und -nah blieben die vier Städte, wenn es irgend ging, auch das gesamte Mittelalter hindurch, auch wenn die kleineren unter ihnen zeitenweise in die Gefahr der Entfremdung gerieten. So gut es ging, mühte man sich darum gemeinsam und spätestens im 15. Jahrhundert mehr und mehr vermittelt durch das bei weitem größte Frankfurt. Vielleicht ist das die Konsequenz aus der bitteren Erfahrung, als um die Mitte des 13. Jahrhunderts das System, das Sicherheit geboten hatte, in die Krise geriet. Als im Jahre 1252 König Wilhelm von Holland in die Wetterau gezogen kam, handelten die Städte und ihre Ministerialitäten offenbar uneinheitlich: Während Burg und Stadt Friedberg sich geöffnet zu haben scheinen, blieben die anderen ihrem staufischen König treu. Sobald der König fern ist und unsichere, krisenhafte Zeiten ins Haus stehen, endet die zunächst eben doch vor allem vom König determinierte Gemeinsamkeit offenbar leicht. Erst 1254 wurde, mit dem Tod Konrads IV., alles wieder leichter, und eine solche Situation, so scheint man bald erkannt zu haben, sollte sich nicht wiederholen. Die Mitgliedschaft im Rheinischen Bund mag das Bewußtsein gestärkt zu haben, daß Einigkeit stark machte, lassen sich doch 1257 in vier getrennten Urkunden die Bürger jeder der vier Städte unter anderen (weitgehend gleichlautenden) Dingen von König Richard versprechen, daß er die „Städte Frankfurt, Friedberg, Wetzlar und Gelnhausen“ niemals dem Reich entfremden wolle.
Weiterhin sind es vor allem die königlichen Gemeinschaftsurkunden für alle vier Städte, aus denen wir auf eine Fremdwahrnehmung als Gruppe schließen können. Besonders eng erscheint eine solche Gemeinschaft, wenn die vier Städte um 1318 von König Ludwig dem Bayern gemeinsamen zu einer Gesamtsumme der Reichssteuer veranlagt werden – handelt es sich bei der kollektiven Stadtsteuer doch um eine der wichtigsten Errungenschaften städtischer Freiheits- und Autonomiebestrebungen (alte grundherrliche Form ist die Zins- und damit Steuerpflichtigkeit jedes Einzelnen, so daß die selbständige Umlage der Gesamtsumme auf die Mitglieder der Gemeinschaft ein deutlicher Fortschritt hin zum kommunalen Handeln ist). Ob die Idee jedoch von den Städten oder nicht doch eher vom König ausgegangen war, bleibt offen. Das Experiment wurde spätestens 1333 wieder aufgegeben, vielleicht weil Ludwig dazu übergegangen war, die Steuern an Adelsherren der Region zu verteilen, ein gefährlicher Schritt in die Nähe der Verpfändung der ganzen Stadt. Wenigstens Frankfurt wird es sich leisten können, die Steuer lieber früher als termingerecht direkt an den König auszufolgern und wird im 15. Jahrhundert darauf bestehen, dem König gleichgültig, wo er sich gerade befindet, die Steuer persönlich in bar zu überbringen. In der gleichen Zeit zeichnet sich aber noch eine andere Entwicklung ab, die den Rest des Mittelalters bestimmen sollte: 1329 bestätigte Kaiser Ludwig im umfassender Weise omnia et singula privilegia iura sua libertates gracias et consuetudines suas tam antiquas quam novas (alle und jedes einzelne Privilegien und ihre Rechte, Freiheiten, Gnaden und ihre Gewohnheiten, seien sie alt oder neu) der Stadt Frankfurt und von deren Eidgenossen, coniurati, den Städten Gelnhausen, Wetzlar und Friedberg, auf Bitte den Bürger Frankfurts. Was 1259 noch in vier gegenseitigen Urkunden geschehen war, die gegenseitige Unterstützung und der Zusammenhalt beim Privilegienerwerb, wird nun zunehmend Sache Frankfurts als Sprecher der Gruppe der vier Städte. Beide Ausfertigungen der Urkunde, beide mit Goldbulle, werden bis heute in Frankfurt aufbewahrt.
Denn alle vier Städte sind jung, vergleicht man sie mit den benachbarten rheinischen Städten, wie Mainz oder Worms und auch Speyer – mit denen wenigstens Frankfurt in den folgenden Jahrhunderten bei allen Gegensätzen immer wieder eng kooperieren wird. Während zum Beispiel die Wormser Bürger bekanntlich bereits in den 1070er Jahren gemeinschaftliche handlungsfähig waren und gegen hofrechtliche Beschränkungen aufbegehrten, ist die erste gemeinschaftliche Handlung zum Beispiel der Frankfurter Bürger gerade erst 1219 belegt und sind sie da noch keineswegs hofrechtlicher Bindungen ledig. Und so rasch auch die Königsstädte aufholten: Hauptsächliche Ansprechpartner des Königs sind beispielsweise (wie zitiert) 1232 und noch lange danach die Schultheißen als königliche Amtsträger. „Städtische“ Selbstverwaltungsorgane sind noch nicht einmal 1254 erkennbar – erst danach entstanden aus den alten noch grundherrlichen Schöffengremien Räte, möglicherweise nicht zuletzt gefördert durch den verstärkten Austausch mit weiterentwickelten Städten im Rheinischen Bund. Was sie da beobachten konnten, mag auch den Streit der Bürger mit den Schöffen um Beteiligung an der Leitung der Stadt hervorgerufen haben, den wir in Wetzlar als Anlaß für die Ergänzung der Schöffen durch consules (Ratsherren) im Jahre 1260 kennen, während die Räte in Gelnhausen 1259, in Friedberg und Frankfurt 1266 ohne erkennbaren Anlaß, aber generell gleichzeitig ersterwähnt sind.
Diese Situation gibt zu Zweifeln Anlaß, ob man, wenigstens bei den wetterauischen Städten im Rheinischen Bund von 1254, ohne weiteres von städtische Politik sprechen kann, wie wir sie bei den dann reinen Städtebünden vor allem des späteren 14. Jahrhunderts zweifellos beobachten können, aber gewiß nicht implizit zurückprojizieren dürfen, nur weil die Quellen so rar sind. So sehr die Städte um 1254 gewiß eine klar unterscheidbare bauliche wie auch wirtschaftliche Größe waren – die Schöffen und, soweit das zu sehen ist, auch die dann neuen Ratsherren der Königsstädte in der Wetterau entstammten alle der einzigen oder wenigstens dominanten familia (Gemeinschaft der Unfreien eines Herrn) am Ort, der des Königs. Sie waren mit dem reichsministerialischen entstehenden Niederadel der Umgebung nach wie vor standesgleich und oft wohl auch noch blutsverwandt und die jeweiligen Verhaltensweisen nicht nur gegenüber dem Reich sind in der Mitte des 13. Jahrhunderts generell noch kaum trennbar. So ist es den Städten ein Leichtes, 1254 in einem Bund mit Adelsherren in einer Weise vereint zu sein, die späterhin immer schwerer vorstellbar wird.
Städte wie Reichsministerialität waren vereinigt in der von den Staufern ausgebauten Reichsgutorganisation der terra imperii der Wetterau und dann in der in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gewiß noch alle anderen Bündnisse dominierenden königlichen wetter¬auischen Landvogtei. Alle vier Städte sind ja nicht nur königlichen Ursprungs, sondern sie sind alle vier Produkte staufischen Ausbaus oder doch maßgeblich von den Staufern in ihrer entscheidenden Wachstumsphase gefördert worden – eher unabsichtlich führte das zu einer königlichen Städtelandschaft par excellence. Weitestgehend staufisch ist die Kirchentopo¬graphie wenigstens in Frankfurt, eine diesbezügliche vergleichende Analyse der vier Städte steht aus. Doch sei zumindest festgehalten, daß sich alle vier um einerMarien-Pfarrkirche gruppierten – von zentraler Bedeutung, wenn man bedenkt, wie sehr die Wahl des Heiligen auf die Identität einer Gruppe schließen läßt. Wenigstens in Friedberg trat ebenso wie in Frankfurt die spätstaufische offenbar bürgerlich-ministerialische Kombination Marias und Georgs mit für die beiden Siedlungen charakteristischen Unterschieden auf: Während in Frankfurt, wo die königliche Burg mit Besatzung bald abgezogen wird bzw. weitgehend in der Bürgerschaft aufgeht, die erste sicher belegte bürgerliche Kirchenstiftung die beiden Heiligen vereint, stehen sie in Friedberg als getrennte Patrone der Stadt- und der Burgkirche für die dauerhafte und unvereinbare Gegensätzlichkeit der beiden Siedlungskerne.
Dem Kaiser Friedrich I. Barbarossa wird der systematische Zugriff und die systematische Sicherung einer der wichtigsten Königslandschaften zugeschrieben. Er scheint dafür gesorgt zu haben, daß Frankfurt – in der Zeit der salischen Dynastie eher an den Rand getreten (obwohl oder weil es im Raum der eigentlichen Hausmacht dieser Könige lag) –, das bereits Konrad III. wieder in die erste Reihe der Pfalzorte gehoben hatte, eingebunden wurde in ein Netz aus Burgen und Burgsiedlungen. Um das Jahr 1170, als der Kaiser den Ort Gelnhausen vom Mainzer Erzbischof zu Lehen gewann und eine neue Pfalz an der wichtigen Pforte aus der Wetterau hin nach Thüringen errichtete, scheint auch die Reichsburg Kalsmunt über Wetzlar und damit der Zugang zum Lahntal ausgebaut worden zu sein – neben einer ganzen Reihe weiterer, meist von Ministerialen errichteten Burgen an zentralen Punkten. Wegen dieses Zusammenhanges neigten viele Historiker stets dazu, auch die Entstehung der 1216 ersterwähnten, zentrale Burg Friedberg bereits zu dieser Zeit anzusetzen. Keine Symbolen typischen städtischen Selbstbewußtseins, wie Stadtmauern, tragen die Hoheitszeichen der vier Städte: Gelnhausens Siegel (ab 1248 belegt, doch sicher älter) erinnert bei jeder Benutzung dankbar an Barbarossas Gnaden, indem es ihn zusammen mit Königin Beatrix abbildet. Auch Wetzlar trägt den König (unter einer baldachinartigen Konstruktion, belegt ab 1226) im Siegel, ebenso wie Frankfurt, das jedoch in der Umschrift sich selbst schon früh vor allem auf das Reich bezieht, sich selbst erfolgreich als specialis domus imperii, als besondere Heimstatt des Reiches hervorzuheben bemüht ist (ab 1216 und erneuert ab 1253). Das Symbol des Reiches auch spiegelt Friedbergs städtisches Adler-Siegel (ab 1245).
Gemeinschaftliches Handeln der Städte kann nach all dem nicht überraschen, denn es versteht sich fast von selbst innerhalb der Wetterau. Doch kann auch dieses Handeln wohl noch nicht unbedingt und ohne weiteres als städtisch charakterisiert werden. Wie gesagt war 1226 Wetzlar nicht mit den anderen Wetterauer Städten im Bündnis gegen den Mainzer Erzbischof gewesen, vielleicht weil es durch seine Lage die Interessen der Bündner nicht teilte, vielleicht weil es generell noch nicht so weit war, überregionale Interessen zu teilen – ist doch erst 1228 die allererste von der Wetzlarer Bürgerschaft ausgehende Urkunde überhaupt überliefert. Sie allerdings betrifft dann sogleich ein zentrales Wetterauer Thema, das Verhältnis zum Kloster Arnsburg (einer Gründung der Herren von Münzenberg), und wohl deshalb ist sie unter anderen vom Friedberger Burggrafen und den Frankfurter Schultheißen als Zeugen mitgetragen – nicht eigentlich von den später eng verbundenen Städten, aber doch von einer ministerialen Gemeinschaft Wetterauer Königsleute.
Königstreu und -nah blieben die vier Städte, wenn es irgend ging, auch das gesamte Mittelalter hindurch, auch wenn die kleineren unter ihnen zeitenweise in die Gefahr der Entfremdung gerieten. So gut es ging, mühte man sich darum gemeinsam und spätestens im 15. Jahrhundert mehr und mehr vermittelt durch das bei weitem größte Frankfurt. Vielleicht ist das die Konsequenz aus der bitteren Erfahrung, als um die Mitte des 13. Jahrhunderts das System, das Sicherheit geboten hatte, in die Krise geriet. Als im Jahre 1252 König Wilhelm von Holland in die Wetterau gezogen kam, handelten die Städte und ihre Ministerialitäten offenbar uneinheitlich: Während Burg und Stadt Friedberg sich geöffnet zu haben scheinen, blieben die anderen ihrem staufischen König treu. Sobald der König fern ist und unsichere, krisenhafte Zeiten ins Haus stehen, endet die zunächst eben doch vor allem vom König determinierte Gemeinsamkeit offenbar leicht. Erst 1254 wurde, mit dem Tod Konrads IV., alles wieder leichter, und eine solche Situation, so scheint man bald erkannt zu haben, sollte sich nicht wiederholen. Die Mitgliedschaft im Rheinischen Bund mag das Bewußtsein gestärkt zu haben, daß Einigkeit stark machte, lassen sich doch 1257 in vier getrennten Urkunden die Bürger jeder der vier Städte unter anderen (weitgehend gleichlautenden) Dingen von König Richard versprechen, daß er die „Städte Frankfurt, Friedberg, Wetzlar und Gelnhausen“ niemals dem Reich entfremden wolle.
Weiterhin sind es vor allem die königlichen Gemeinschaftsurkunden für alle vier Städte, aus denen wir auf eine Fremdwahrnehmung als Gruppe schließen können. Besonders eng erscheint eine solche Gemeinschaft, wenn die vier Städte um 1318 von König Ludwig dem Bayern gemeinsamen zu einer Gesamtsumme der Reichssteuer veranlagt werden – handelt es sich bei der kollektiven Stadtsteuer doch um eine der wichtigsten Errungenschaften städtischer Freiheits- und Autonomiebestrebungen (alte grundherrliche Form ist die Zins- und damit Steuerpflichtigkeit jedes Einzelnen, so daß die selbständige Umlage der Gesamtsumme auf die Mitglieder der Gemeinschaft ein deutlicher Fortschritt hin zum kommunalen Handeln ist). Ob die Idee jedoch von den Städten oder nicht doch eher vom König ausgegangen war, bleibt offen. Das Experiment wurde spätestens 1333 wieder aufgegeben, vielleicht weil Ludwig dazu übergegangen war, die Steuern an Adelsherren der Region zu verteilen, ein gefährlicher Schritt in die Nähe der Verpfändung der ganzen Stadt. Wenigstens Frankfurt wird es sich leisten können, die Steuer lieber früher als termingerecht direkt an den König auszufolgern und wird im 15. Jahrhundert darauf bestehen, dem König gleichgültig, wo er sich gerade befindet, die Steuer persönlich in bar zu überbringen. In der gleichen Zeit zeichnet sich aber noch eine andere Entwicklung ab, die den Rest des Mittelalters bestimmen sollte: 1329 bestätigte Kaiser Ludwig im umfassender Weise omnia et singula privilegia iura sua libertates gracias et consuetudines suas tam antiquas quam novas (alle und jedes einzelne Privilegien und ihre Rechte, Freiheiten, Gnaden und ihre Gewohnheiten, seien sie alt oder neu) der Stadt Frankfurt und von deren Eidgenossen, coniurati, den Städten Gelnhausen, Wetzlar und Friedberg, auf Bitte den Bürger Frankfurts. Was 1259 noch in vier gegenseitigen Urkunden geschehen war, die gegenseitige Unterstützung und der Zusammenhalt beim Privilegienerwerb, wird nun zunehmend Sache Frankfurts als Sprecher der Gruppe der vier Städte. Beide Ausfertigungen der Urkunde, beide mit Goldbulle, werden bis heute in Frankfurt aufbewahrt.
All das wird das Ergebnis einer zunehmend engeren Zusammenarbeit der vier Städte seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert gewesen sein. Denn seit dieser Zeit, Jahrzehnte vor den zuletzt genannten Ereignissen, finden wir auch von den Städten gemeinsam ausgestellte Urkunden. Genuin städtisches Handeln ist darin jedoch nach wie vor nicht zu finden, sondern weiterhin steht die landschaftliche Einbindung im Vordergrund. So geht es 1258 wieder einmal um einen Kloster Arnsburg betreffenden Streit. Doch diesmal treten nicht nur die Schultheißen der Nachbarstädte unter den Zeugen auf, sondern Schultheißen, Schöffen und Bürger der vier Städte wirken gemeinsam als Schiedsrichter, wie auch 1265, als ein Ausgleich zwischen den Grafen von Katzenelnbogen und Herren von Falkenstein um die Jagd im südmainischen Reichsforst Dreieich anstand. Zugleich aber werden, obgleich die Schultheißen weiterhin beteiligt und an erster Stelle genannt sind, zunehmend Handlungen der Bürgerschaften dokumentiert, wie das auch am Urkundenausstoß der Zeit seitens der Einzelstädte beobachtbar ist. Die Motive sind vorläufig noch so konkret und fallbezogen wie bei den oben zitierten ersten Beispielen von Gemeinschaftsaktionen der vier; allgemeine oder gar konzeptionell-längerfristige Vorstellungen und Ziele müßte man hineininterpretieren.
Doch der Rheinische Bund und das sogenannte Interregnum haben noch weitere Entwicklungen freigesetzt. Zunächst werden erneut nach überkommenem Muster Landfrieden geschlossen (das heißt regionale Zusammenschlüsse initiiert vom König, die für eine begrenzte Zeit Gewaltverzicht aller Beteiligten festschreiben), in denen die Wetteraustädte jeweils gemeinsam auftreten und stets zusammen genannt werden. Den ersten dieser Friedensbünde könnte man geradezu als wetterauischen Landfrieden charakterisieren, auch wenn seine Grenzen eine recht weitgefaßte Wetterau umfassen. Denn neben den Wetterau-Städten waren Mitte 1265 auf drei Jahre mit dem Mainzer Erzbischof und den Herren von Eppstein, Falkenstein und Hanau die mächtigsten Vertreter eben dieser Region beteiligt. Erscheint das schlicht zahlenmäßige Gewicht der Städte bereits hier recht hoch, so steigert sich der Eindruck noch beim regional von Basel bis Mainz und in die Wetterau reichenden knapp zweijährigen Landfrieden vom Juni 1278. Hier erscheint die Städtebeteiligung und damit vielleicht auch die Initiative der Städte überdeutlich, denn neben nur drei Herren (darunter der Pfalzgraf, nicht aber der Mainzer) treten 17 Städte zusammen. Hier dürfte der Versuch, etwas wie den Rheinischen Bund zu erneuern, mangels herrschaftlicher Beteiligung kläglich gescheitert zu sein.
Schon im Februar 1273 allerdings, wahrscheinlich noch auf Initiative der älteren und erfahreneren rheinischen Bischofsstädte, hatten die Städte bereits etwas anderes versucht. Mainz, Worms und Oppenheim schlossen mit den vier Wetteraustädten als ewigen Bund einen jener eigentlich geächteten (spätestens seit dem Mainzer Reichslandfrieden von 1235 und erneut in der Goldenen Bulle von 1356), aber nicht mehr zu unterbindenden echten Städtebünde: Zeichen, daß sich durchaus etwas änderte, daß die Städte sich zunehmend ihrer besonderen Interessen bewußt wurden und sich nicht mehr immer in den überständischen Landfrieden hinreichend vertreten sahen. Ein halbes Jahr vor der Wahl Rudolfs von Habsburg zum römischen König schlossen sie sich aus dem konkreten, aber wiederkehrenden Anlaß der Vakanz im Reich zusammen. Ob der Anlaß bereits ein typisch städtisches Anliegen – über den generellen und gewiß wirtschaftlich essentiellen Friedenswunsch hinaus – war, sei dahin gestellt. Sicher ist nur, daß vom Wohl des Reiches keine Rede ist. Die Städte schließen sich zusammen zur Ehre Gottes und zum Nutzen ihres eigenen Umlandes (ad … totius nobis adia-centis provincie utilitatis). Sie schwören einander unverbrüchlich (und nur gemeinsam abzuändern) zu, daß sie, sollten die Wähler wieder mehrere Könige zu präsentieren versuchen (plures reges presentare voluerint), diese keinesfalls in ihre Städte aufnehmen oder sonst irgendwie unterstützen wollte.
Im Oktober kam die geforderte einmütige Wahl zustande, so daß der ewige Bund vorerst ruhen konnte; der zitierte Landfrieden von 1278 führte zwei Jahrzehnte nach dem Rheinischen Bund wieder relativ weit voneinander entfernt liegende, wenngleich sicherlich bereits in regelmäßigen Handelskontakten stehende Städte zusammen. Die erneut engere gegenseitige Kenntnisnahme mag dann die Wetteraustädte in einer trotz oder gerade wegen eines starken Königs als schwierig empfundenen Situation zum nächsten entscheidenden Schritt geführt haben. Im Dezember 1285 nämlich schlossen sie zum ersten Mal auf zehn Jahre einen Bund der vier Städte, der von der Forschung mit dem Etikett des bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts relativ kontinuierlich andauernden Wetterauer Städtebundes versehen wurde. Die Forschung auch nimmt als unmittelbarer Anlaß, der nicht genannt wird, die geplanten Sondersteuern des Königs an (der im Bundesvertrag ebenfalls nicht erwähnt wird), derentwegen es in Elsässischen Städten (die zuletzt eben im Landfrieden von 1278 mit denen der Wetterau verbunden gewesen waren) zu Aufständen gekommen war. Zunächst hatten im Mai 1285 Frankfurt, Friedberg und Wetzlar gegenseitige Verpflichtungsurkunden ausgetauscht, dann schlossen sie, nun unter Einbeziehung von Gelnhausen, einen echten Bundesvertrag ab, der von allen Bürgerschaften ausgestellt und besiegelt wurde.
Insgesamt acht Erneuerungen hat dieser regional eng begrenzte und deshalb grundsätzlich sehr erfolgreiche Bund erfahren. Das Interesse lag in erster Linie bei bedingter gegenseitiger Hilfe (deren Formulierung im Laufe der Zeit immer ausgefeilter wurde) im Falle eines Angriffs Dritter und umgekehrt in der Verhinderung der Unterstützung eines solchen Angreifers durch eine der anderen Städte, nicht zuletzt in wirtschaftlicher Hinsicht – städtische Lebens- und Erfahrungsbereiche im Gegensatz zur andersständischen Umgebung stehen jetzt deutlich ganz oben auf der Tagesordnung. Als Laufzeit waren zunächst immer wieder zehn Jahre vereinbart worden, dann schrieb man 1325 nur noch sechs Jahre fest, verlängerte aber dennoch erst nach zehn Jahren, 1334, um weitere drei und beschloß schließlich 1340, diese Praxis zur Norm zu erheben: Welche Laufzeit auch immer niedergelegt worden war, der Vertrag sollte auch nach Ablauf weiterlaufen, bis er eventuell gekündigt würde.
Zweimal (1306 und 1334) blieb Gelnhausen der Erneuerung fern, ohne daß Gründe dafür genannt würden, doch war die Stadt 1316 kommentarlos wieder dabei und schloß sich 1335 nachträglich an. Dafür wurde Seligenstadt (mal bischöflich Mainzisch, mal königlich, und in dieser Zeit gerade vorwiegend Königsstadt) 1301 zum Bund hinzugenommen und war auch im regulären Erneuerungsvertrag von 1306 (letztmalig) mit von der Partie. Im Jahre 1349 fehlte dann Wetzlar, ja, der Bund mit dieser Stadt wurde von den anderen ausdrücklich wegen strickunge aufgekündigt. Einer der Gründe hinter diesem letzteren Ausscheren dürfte wieder einmal die regionale Differenz der Stadt gewesen sein, die andere Herren zu nah oder zu fern von sich hatte und damals offenbar andere Gegner, aber auch andere Freunde unter ihnen gehabt zu haben scheint als die drei anderen Städte: Während Wetzlar die benachbarten Grafen von Solms und die Grafen von Nassau, die als Inhaber der Stiftsvogtei mehr und mehr Einfluß auf die Stadt gewannen, als Gefahr für die Reichsfreiheit der Stadt betrachten mußte – die aber den anderen Städten räumlich eher fernstanden – hatte sich Wetzlar 1348 mit den Falkensteinern verbündet, die Friedberg oder auch Frankfurt mit ihren Besitzansprüchen als Münzenberger Erben (und ihren Residenzen in Lich und Butzbach) stets zu nahe zu treten drohten.
Doch das Jahr 1349 sah noch Turbulenzen auf ganz anderer Ebene, die die Wirksamkeit des Bundes auf eine harte Probe stellten. War es doch das Jahr, in dem sich nach langem Streit um den Thron Karl IV. durchsetzte und beim Ausgleich für Günthers von Schwarzburg Thronverzicht die Steuern einiger Reichsstädte, darunter auch Friedberg und Gelnhausen, den Schwarzburgern verpfändete – wie schon oben bemerkt mehr als nur ein Gefahrensignal für die auf ihre Freiheit bedachten Städte. Auch ein weiterer Grund, weshalb sowohl die regelmäßige Erneuerung als auch die Beteiligung eventuell etwas weniger interessant geworden sein könnte, mag im außerstädtischen Bereich liegen, nämlich in den seit 1324/ 28 nach langer Zeit wieder konkurrierend hinzutretenden, regional zugeschnittenen Landfrieden gelegen haben.
Der Wetterauer Bund wurde zwar 1364 noch einmal verlängert, jedoch zum letzten Mal. Nur im großen Rheinischen Städtebund, der mit dem Desaster des Städtekrieges von 1388/ 89 gerade für die kleineren Mitglieder einen massiven Schlag bedeutete und nachhaltige wirtschaftliche Folgen nach sich zog, waren alle noch einmal vereint, doch das hatte nichts mehr zu tun mit Wetterauer Städtepolitik. Was die wirtschaftliche Situation betrifft, so war das 1364 wieder eingeschlossene Wetzlar schon vorher, seit den 1350er und 60er Jahren, als es sich vor allem für seine Fehden gegen die Solmser Grafen immer mehr verschuldete, unaufhaltsam ins wirtschaftliche Desaster getrieben. 1370 gerieten die städtischen Finanzen in den Bankrott.
– Generell hatten die Wetterauer Städte wirtschaftlich einen hervorragenden Start gehabt. Bereits um 1241 tauchen im berühmten „Reichssteuerverzeichnis“ oder Noticia de precariis die vier Städte, dazu Wiesbaden und Seligenstadt, als zur Wetterau gehörig auf. Bereits hier zeigt sich, daß nicht nur Frankfurt mit seiner seit ca. 1150 belegten Messe mit 250 Mark deutlich die Spitze einnimmt, sondern daß auch zwischen den anderen drei uns hier interessierenden Städten (von denen keine wirklich niedrige Beiträge leistet) große Unterschiede in der Wirtschaftskraft bestanden, wenn Gelnhausen 200, Wetzlar 170 und das vielleicht doch jüngste Friedberg 120 Mark zu leisten haben. Die Frankfurter Handelsmessen, deren eigentlicher Aufstieg zu europaweiter Bedeutung ins frühe 14. Jahrhundert fällt (verursacht durch den Niedergang der Champagne-Messen und gekennzeichnet durch die Privilegierung eines zweiten Jahrestermins durch Kaiser Ludwig 1330), standen zu dieser Zeit in einem engen terminlichen Verbund mit den Messen zu Gelnhausen wie zu Friedberg (seit 1332). Haupthandelsgut waren die Tuche, die in der gesamten Wetterau und im oberhessischen Raum produziert wurden. Die Blütezeit scheint das 14. Jahrhundert hindurch angedauert zu haben, doch dann setze ein Niedergang ein und mit der städtischen Wirtschaft ging es auch mit der Stadt Friedberg selbst bergab.
Frankfurt hingegen blühte weiter, seine Messen überlebten, deshalb brach auch seine Tuchproduktion nicht zusammen. Jüngere Untersuchungen konnten zudem zeigen, daß die Stadt nicht, wie es in der Literatur bis in die jüngste Zeit immer wieder zu lesen ist, infolge der verloren – und Ihnen hier wohlbekannten – Schlacht von Kronberg 1389 (auch sie im Rahmen eines Städtebundes) und der allgemeinen Wirtschaftskrise einen Niedergang erlebte. Liest man die heute erhalten Quellen zur Wirtschaftsgeschichte Frankfurts und seiner Messen mit der nötigen methodischen Sorgfalt, so zeigt sich eine insgesamt prosperierende Stadt.
Auch bei der Verdichtung der Städtelandschaft der Wetterau spielte Frankfurt schon seit längerem die wichtigste Rolle. Hatte schon 1180 Wetzlar Frankfurter Recht übertragen bekommen, so wurden seit dem späten 13. Jahrhundert immer mehr Städte der wetterauischen Herren zu Frankfurter Recht erhoben (auch weit über die Wetterau hinaus, besonders an den Mittelrhein ausstrahlend), viel weniger leiteten ihr Recht von Wetzlar, Gelnhausen oder Friedberg ab. Für viele wurde Frankfurt daher auch zum Oberhof, die verdichtete Städtelandschaft der Wetterau stand in vielfältiger Weise weitgehend unter Frankfurter Einfluß. Frankfurt wurde schließlich zur Führungsstadt in der Wetterau, die Frankfurter Boten auf Reichstagen und bei Konzilien vertraten auch Gelnhausen, Friedberg und Wetzlar, königliche Briefe wurden oft genug dem Frankfurter Rat zugestellt mit der ausdrücklichen Aufforderung, sie den drei anderen weiterzuleiten. Im 15. Jahrhunderts war Frankfurt politisch ebenso wie wirtschaftlich so dominant geworden, daß, als die Stadt Friedberg vor der Verpfändung stand, nicht mehr die umliegenden Adelsherren, sondern die benachbarte und einst verbündete Reichsstadt zur Gefahr für die Freiheit wurde: Beinahe wäre es so weit gekommen, daß Frankfurt Friedberg erpfändet hätte (am Ende setzte sich der feindliche Bruder, die Burg Friedberg, in den Pfandbesitz der Stadt).
Meine eigentliche Fragestellung war es, die Wetterau und ihre Städte im, also zur Zeit des Rheinischen Bundes zu charakterisieren. Schon deshalb konnte ich die Entwicklungen des 14. und erst recht des 15. Jahrhunderts nur umreißen, nicht minutiös nachzeichnen. Doch sollten in diesem chronologisch weiten Zugriff bestimmte Entwicklungen deutlich geworden sein. Um 1254 waren die Wetterau-Städte als solche noch zu unentwickelt, um eine gezielte und konsequente städtische Politik zu betreiben. Auch wenn städtische Interessen gewiß mitspielten und auch wahrgenommen wurden, und auch wenn sich im Rückblick sogar schon früher im 13. Jahrhundert bestimmte Determinanten einer späteren Entwicklung, späterer Verhaltensweisen und Politik abzeichneten, so waren doch alle vier Wetterau-Städte noch sehr stark in die ständisch gemischte terra imperii der Wetterau, späterhin mit ihrem königlichen Landvogt als Haupt, eingebunden.
Gewiß bestärkt durch die königsferne Zeit des sogenannten Interregnum und wahrscheinlich auch durch verschiedenste Erfahrungen im Rheinischen Bund entwickelten die vier Städte bald eigene, spezifische Interessen einerseits als Städte (gegenüber den regionalen Herren), andererseits aber auch weiterhin als Wetterauer (gegenüber den anderen Städten). Diese schlugen sich – solange man fast ein Jahrhundert lang von etwa gleichgewichtigen Partnern sprechen konnte – im Wetterauer Städtebund nieder und verschafften sich durch ihn Gehör. Mit den politisch-rechtlichen und ökonomischen Veränderungen in Reich und Region in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts und ihren ganz unterschiedlichen Folgen für die vier Städte setze dann eine neue Phase ein, in der Frankfurt mehr und mehr zum Sprecher oder vielleicht sogar Haupt, die anderen drei Städte aber zur Gefolgschaft der Anführerin wurden – ein spannendes, aber doch ganz anderes Thema!
Der Verständige trägt die Zunge im Herzen.
Vetter und Schwiegersohn Mohammeds